In ein paar Tagen – am 13. Oktober 2022 – wird eine wichtige Novelle des polnischen Gesetzesbuches über die Handelsgesellschaften in Kraft treten.

Ihren grundlegenden und weit diskutierten Teil bildet das Holdingrecht, also eine Reihe von Vorschriften, welche die Problematik von Unternehmensgruppen regeln. Dem Holdingrecht war unser früherer sich speziell an Unternehmen richtender Lex Alert gewidmet, mit dem Sie sich im Detail HIER vertraut machen können.

Der andere Teil der Novelle ist dagegen weitgehend bereinigender und klarstellender Natur. Anwendung findet er auf alle nach dem polnischen Recht zulässige Formen der Kapitalgesellschaften: Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften sowie Einfache Aktiengesellschaften. Die Änderungen beziehen sich vor allem auf die Kompetenzen der Aufsichtsräte, die einzelnen Aufgaben der Vorstände sowie die Arbeitsorganisation in den Aufsichtsräten.

Der vorliegende Lex Alert befasst sich mit dem erwähnten zweiten Teil der Novelle. Im Folgenden werden einige ausgewählte Änderungen erläutert, wobei der Schwerpunkt dieses Lex Alerts auf den Fragen liegt, auf die im Zusammenhang mit der Anpassung interner Gesellschaftsunterlagen besonders zu achten ist.

 

WEITERE BEFUGNISSE DES AUFSICHTSRATS SOWIE NEUE TÄTIGKEITSFELDER DES VORSTANDS

Bei der Anpassung von Gesellschaftsverträgen und Satzungen ist unter anderem Folgendes zu beachten:

  • Möglichkeit der Ernennung eines Beraters des Aufsichtsrates

Die neuen Vorschriften sehen die Möglichkeit vor, dass der Aufsichtsrat einen Beschluss über die Prüfung einer bestimmten die Gesellschaft unmittelbar betreffenden Angelegenheit von einem durch dieses Gesellschaftsorgan frei ausgewählten Berater fasst. In solch einem Falle wird der Aufsichtsrat auch dann dazu berechtigt sein, im Namen und auf Rechnung der Gesellschaft mit dem Berater einen entsprechenden Vertrag abzuschließen. Um von dieser Möglichkeit auch im den Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gebrauch machen zu können, sollten vorab entsprechende Bestimmungen in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden. Bei Aktiengesellschaften und Einfachen Aktiengesellschaften hingegen besteht diese Möglichkeit bereits von Rechts wegen. Die Satzung oder der Gesellschaftsvertrag können die oben angesprochene Befugnis des Aufsichtsrats ausschließen, beziehungsweise – einschränken, indem beispielsweise die Hauptversammlung ermächtigt wird, den Höchstbetrag aller im jeweiligen Geschäftsjahr zu tragenden Gesamtkosten für die Berater des Aufsichtsrats festzusetzen.

  • Informationspflichten der Vorstände der Aktiengesellschaften

Sobald die neuen Vorschriften in Kraft getreten sind, sind die Vorstände von Aktiengesellschaften verpflichtet, den Aufsichtsräten, ohne weitere Aufforderung, eine Reihe von Informationen über die Gesellschaft, darunter etwa die Informationen über die Lage des Gesellschaft, über die Fortschritte bei der Umsetzung der festgelegten Entwicklungsrichtlinien sowie über die etwaig eingetretenen Änderungen in Bezug auf die früher übermittelten Informationen, zukommen zu lassen. Die vorgenannte Informationspflicht erstreckt sich ebenfalls auf die Informationen über Tochtergesellschaften und verbundene Unternehmen, von denen der Vorstand Kenntnis erlangt hat. Den einschlägigen neuen Rechtsvorschriften sind auch die Fristen und die Form für die Übermittlung dieser Informationen zu entnehmen. Besonderer Hervorhebung bedarf in dem Punkt die Tatsache, dass die vorgenannte, dem Vorstand auferlegte Informationspflicht kraft Satzung einer Aktiengesellschaft ausgeschlossen oder eingeschränkt werden kann.

  • Zustimmung zu Transaktionen von Aktiengesellschaften mit verbundenen Unternehmen

In das polnische Gesetzbuch über die Handelsgesellschaften werden Bestimmungen inkorporiert, die vorsehen, dass die Aktiengesellschaft zur Vornahme von bestimmten Geschäften mit der Muttergesellschaft, einer Tochtergesellschaft oder auch mit einem verbundenen Unternehmen die Zustimmung des Aufsichtsrats einholen muss. Diese Verpflichtung wird bei einem Geschäft konkretisiert, dessen Wert zusammen mit dem Wert aller im Laufe des Geschäftsjahres mit demselben Unternehmen abgeschlossenen Geschäfte 10 % des Gesamtvermögens des Unternehmens übersteigt; dieser Wert ist auf der Grundlage des letzten festgestellten Jahresabschlusses zu ermitteln. Diese Verpflichtung kann jedoch in der Satzung der Aktiengesellschaft ausgeschlossen werden. Zur Anwendung wird diese Verpflichtung allerdings nicht in Bezug auf die Unternehmen kommen, die an einem geregelten Markt notiert sind, sowie die Unternehmen, die einer Unternehmensgruppe im Sinne des Holdingrechts angehören.

 

ARBEITSORGANISATION IM AUFSICHTSRAT

Die Novelle sieht zudem die Einführung von Bestimmungen in das Gesetzbuch über die Handelsgesellschaften vor, die – unter anderem – die Funktion des Aufsichtsratsvorsitzenden, die Einberufung von Aufsichtsratssitzungen, die Protokollierung von Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen und den Mindestinhalt von Jahresberichten der Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften zum Gegenstand haben.

 

AMTSZEIT

Den neuen Vorschriften zufolge wird die Amtszeit der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats in vollen Geschäftsjahren berechnet, sofern der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung nichts anderes besagen.

An einem konkreten Beispiel lässt sich dies folgendermaßen erklären: Angenommen, dass die Satzung oder der Gesellschaftsvertrag des Unternehmens nichts anderes bestimmt und sich das Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr überlappt, wird sich das Mandat des Vorstandsmitglieds, beziehungsweise – des Aufsichtsratsmitglieds, das am 1. Juni 2022 für eine Amtszeit von drei Jahren auf diesen Posten berufen wurde, über den folgenden Zeitraum erstrecken:

  1. vom 1. Juni 2022 bis zum 31. Dezember 2022,
  2. vom 1. Januar 2023 bis zum 31. Dezember 2023 – das erste volle Amtsjahr,
  3. vom 1. Januar 2024 bis zum 31. Dezember 2024 – das zweite volle Amtsjahr,
  4. vom 1. Januar 2025 bis zum 31. Dezember 2025 – das dritte volle Amtsjahr,
  5. vom 1. Januar 2026 bis zum Tag, an dem die Gesellschafterversammlung oder die Hauptversammlung den Jahresabschluss für das Jahr 2025 feststellt.

Gemäß einer einschlägigen Übergangsbestimmung werden die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Regelung (d.h. am 13. Oktober 2022) noch laufenden Mandate und Amtszeiten der einzelnen Organmitglieder nach der oben dargelegten neuen Regelung berechnet.

 

DIE NOTWENDIGKEIT, BESTEHENDE GESELLSCHAFTSUNTERLAGEN ZU ÜBERARBEITEN

In Anbetracht der bevorstehenden Änderungen werden die Kapitalgesellschaften dazu angehalten, ihre Gesellschaftsunterlagen zu überprüfen und sie, gegebenenfalls, an die geänderten Vorschriften anzupassen. Besondere Aufmerksamkeit sollten die Gesellschaften vor allen Dingen auf ihre Gesellschaftsverträge, beziehungsweise Satzungen, sowie auf die internen Organisationsvorschriften der Aufsichtsräte und Vorstände lenken.

Rechtsgrundlage:

Gesetz vom 9. Februar 2022 zur Änderung des Gesetzes – Gesetzbuch über die Handelsgesellschaften sowie einiger anderer Gesetze.

Falls Sie Fragen zu der vorstehenden Problematik haben sollten, möchten wir Sie bitten, sich mit den Mitgliedern unseres Teams für Gesellschaftsrecht und Corporate Governance in Kontakt zu setzen: Anna Wojciechowska, Anna Fennig, Karina Chrostowska-Kozioł und Igor Socha.